Sowjetunion Flagge mit Hammer und Sichel

Magnetschwebebahn in der Sowjetunion – eine Zeitreise

Der Transrapid des Ostens

In den 1970er Jahren stieg mit dem rasanten Bevölkerungswachstum in den Städten der UdSSR die Notwendigkeit, das Verkehrsnetz auszubauen. Die sowjetische staatliche Planungskommission schätzte, dass es in der UdSSR sehr bald über 29 Städte mit einer Bevölkerung von über 1.000.000 Menschen geben würde. Sowjetische Ingenieurbüros begannen, ihre Lösungen zur Bekämpfung von Pendelproblemen innerhalb dieser Megastädte und zwischen ihnen anzubieten. Neben der Verbesserung bestehender Transportmittel wie U-Bahn oder Busse entstand der Bedarf an völlig neuen Systemen. Eines davon war das Projekt Magnetschwebebahnen, die mit hoher Geschwindigkeit fahren. Aus dem Englischen wurde die Bezeichnung „Maglev“ für „magnetic leviation“ abgeleitet. 400 km/h schnell sollten die Züge einmal nach den Vorstellungen der Planer fahren.




Erste Teststrecke in Ramenskoje bei Moskau

Der Verkehrsverband „Sojustransprogress“ wurde 1975 gegründet. Das Institut „Transprogress“ wurde im Rahmen des Vereins organisiert. Die Ingenieure und Wissenschaftler dieses Forschungsinstituts begannen mit der Entwicklung eines neuen Fahrzeugs. Der 12 Tonnen schwere Zug TP-01 bot Platz für 20 Passagiere. Bald, in kurzer Zeit, wurden neue Test-„Maglevs“ – TP-02 und 03 – erstellt. Sie wurden auf einer 180 Meter langen Strecke (später wurde die Strecke auf 850 Meter verlängert) in der Stadt Ramenskoje bei Moskau getestet, wo sich „Transprogress“ befand. „Maglev“ TP-04 wurde zu einem mobilen Labor. Am 25. Februar 1986 wurde ein weiteres, deutlich größeres Fahrzeug mit der Bezeichnung TP-05 vorgestellt (einige Quellen geben auch die Bezeichnung TA-05 an, diese Bezeichnung bezieht sich aber vermutlich auf einen späteren Prototyp). Geplant war unter anderem eine Verbindung zwischen den Moskauer Flughäfen Scheremetjewo und Tuszyno und Srebrny Bor.

Magnetschwebebahn der Sowjetunion- Prototyp TP05
Magnetschwebebahn der Sowjetunion – der Prototyp TP05 auf dem Testgelände in Ramenskoje bei Moskau

Maglev-Ideen in Kasachstan und Armenien

Der Erfolg, den die Konstrukteure in den ersten Phasen erzielten, führten zur Planung des Baus von Versuchsstrecken, auf denen die Magnetschwebebahnen bereits Passagiere befördern würden. Die Kasachische und die Armenische SSR hätten die ersten Republiken mit sowjetischen „Maglevs“ werden können:

  • In Alma-Ata (heute Almaty), seinerzeit Hauptstadt Kasachstans war ein entsprechendes Projekt als Alternative zur U-Bahn im Gespräch. Die Verantwortlichen beschlossen aber, stattdessen eine konventionelle Metro zu bauen. Die ersten Arbeiten begannen 1988. Wegen des Zusammenbruchs der Sowjetunion verzögerte sich die Umsetzung. Die ersten Züge fuhren am 1. Dezember 2011.
  • In Armenien war geplant, mit einer 16km langen Strecke die Hauptstadt Eriwan mit der Stadt Abovyan. Abovyan sollte eine Art riesiger „Schlafstadt“ von Eriwan werden, und die Magnetschwebebahn schien die ideale Lösung für das Problem der Verkehrsanbindung zu sein. 1986 erstellen die Ingenieure von „Transprogress“ ihren letzten und perfektesten Prototyp „Maglev“ – TP-05. Die Magnetschwebebahn von Eriwan sollte nicht nur eine Teststrecke, sondern auch eine Art technologisches Schaufenster werden. Die Magnetschwebebahn sollte in etwa vier Minuten 16 Kilometer von Eriwan nach Abowjan schweben. Aufgrund der verfügbaren Leistung des Umspannwerks, das die Strecke mit Strom versorgen sollte, musste die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit jedoch auf 180 km/h reduziert werden. Dieses Projekt wurde aber nie umgesetzt. Zwei Jahre nach Beginn des Baus der Strecke ereignete sich 1988 das Spitak-Erdbeben. In dreißig Sekunden wurden die Stadt Spitak und Dutzende Dörfer ausgelöscht. Unter den Trümmern starben innerhalb weniger Tage etwa 25.000 Menschen, viele Industriebetriebe lagen in Trümmern. Darüber hinaus brach die UdSSR 1991 zusammen. Selbst die Wahl der Stadt Abovyan als Endpunkt der Route war kein Zufall: In dieser kleinen Stadt entstanden High-Tech-Industrien, und der Großteil der Bevölkerung waren Wissenschaftler. 1986 begann der Bau einer Versuchsstrecke mit einer Länge von 3,2 km. Die Inbetriebnahme der sowjetischen „Maglev“ war für 1991 geplant. Zunächst ging man davon aus, dass die Wagen eine Geschwindigkeit von 250 km/h erreichen und bis zu 64 Personen befördern würden.



Prototyp TP-05 – futuristisches Design im Sowjetstil

Einer der Besonderheiten des TP-05-Designs war die Verwendung einer Kette kleiner Magnete entlang des Wagens. Während es sich bewegte, maßen die Sensoren den Abstand zwischen dem Wagen und den Gleisen, und das System veränderte den Strom an bestimmten Magneten und erhöhte oder verringerte deren Abstoßung. Dadurch wurden die Unebenheiten der Straße ausgeglichen und eine reibungslose Fahrt gewährleistet. TP-05 hatte ein Aluminiumgehäuse, wog 18 Tonnen und konnte 18 Personen befördern. Theoretisch hätte es auch mehr sein können, denn der Rest der freien Fläche war mit zusätzlichen Prüf- und Messgeräten belegt. Zunächst war geplant, TP-05 bei Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/h zu testen.


Für die damalige Zeit sah der von Andrey Galenko entwickelte TP-05 spektakulär und futuristisch aus, weshalb er 1987 sogar im Science-Fiction-Kurzfilm „Don’t joke with robots“ für die sowjetische Fernsehsendung „This Fantastic World“ (Этот фантастический мир. С роботами не шутят. Выпуск №12. Произведения А.Беляева, А.Азимова (1987) verfilmt wurde.

Schließlich ist es in der Geschichte der sowjetischen „Maglev“ überraschend, dass der Prototyp TP-05 die 1990er Jahre irgendwie überlebt hat. Im Jahr 2016 stand er immer noch in derselben Werkstatt, in der er unter Plastikfolie eingesammelt und mit Staub bestäubt wurde. Auf Wunsch konnte es wie sein deutsches Gegenstück repariert und ins Museum überführt werden. An der Magnetschwebetechnik gibt es seit Jahren in Russland, ähnlich wie in Deutschland wenig Interess – weder beim Ministerium für Zivilluftfahrt noch das Ministerium für Kommunikation (heute Russische Eisenbahnen). Ein magnetisches Flugzeug ist weder ein Zug noch ein Flugzeug, so lautet das Argument. Bis 1992 hatte das NIiPI des Generalplans von Moskau Projekte für zwei Linien entwickelt. Die erste Route (weiter oben bereits angedeutet): Flughafen Scheremetjewo – Sportflugplatz Tushino – Erholungsgebiet „Serebryany Bor“ – ein Kinderpark (damals ein Projekt) – Regierungsgebäude in Krasnaja Presnja. Die zweite Route sollte die Bezirke Chertanovo, Yasenevo und Butovo verbinden. Die durchschnittliche technische Geschwindigkeit auf der ersten Strecke sollte 100 km/h betragen, auf der zweiten 40 km/h.

Quellen

Bildnachweise

  • Titelbild: NuclearVacuum, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
  • TP-0t: Andrej Galenko, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons