Schwarzfahren: Streitthema Nr.1 zwischen Fahrggast und Zugbegleiter

Schwarzfahren: Streitthema Nr.1 zwischen Fahrggast und Zugbegleiter

Regelmäßige Bahnfahrer kennen das: der Zugbegleiter erwischt einen Fahrgast beim Schwarzfahren, Beleidungen sind dabei auf der Tagesordnung.

Schwarzfahren: Fahren ohne gültige Fahrkarte

Aus der Sicht des Zugbegleiters ist die Sachlage einfach. Wer keinen Fahrschein dabei hat, fährt schwarz! Das Themenspektrum der Auseinandersetzungen ist dabei recht begrenzt, immer wieder geht es um ungültige oder noch ungültige Fahrkarten, um den Kauf des Fahrscheins im Zug, um Hunde ohne Begleithund-Kennzeichnung oder Transportbehälter, um Fehlverhalten im Zug sowie um Probleme seitens der Bahn wie überfüllte Züge und Verspätungen. Aber halt!
Trotzdem ist jeder Fall so individuell wie die daran beteiligten Mitarbeiter der Bahn und Fahrgäste – und nicht immer ist deutlich abzugrenzen, wer Recht hat und wer nicht. Und leider fehlt bei diesen Diskussionen häufig ein kleines Bisschen menschliches Verständnis und der Wille, bestimmte Dinge nachzuvollziehen – alleine das würde viele Auseinandersetzungen gar nicht erst aufkommen lassen. Hier ein paar Paradebespiele mit subjektiver Einschätzung.

Beispiel 1: Ein Mann mit Behinderung hat keinen Fahrschein für seinen Hund

Ein Mann, der körperlich ganz offensichtlich beeinträchtigt ist, ist auf Grund seines Behindertenausweises vom Kauf eines Tickets befreit. Er hat einen Golden Retriever dabei, hat allerdings auch für ihn keinen Fahrschein. Der Zugführer fragt nach diesem, und der Fahrgast argumentiert mit seinem Recht auf eine Begleitperson. Ein Hund sei aber keine Person, bekommt er als Antwort, und der Mann dürfe ihn nur dann kostenlos mitnehmen, wenn er einen Begleithund-Ausweis für ihn hat. Seit seinem Schlaganfall nehme er den Hund überall mit und es gab noch nie ein Problem, argumentiert der Fahrgast, doch das interessiert den Zugbegleiter nicht.
Letztendlich stellt der Zugbeleiter dem Mann einen Strafzettel in Höhe von 40 Euro aus und fordert ihn auf, sich an die Info-Zentrale am Bahnhof in seiner Heimatstadt zu wenden. Sollte er Recht bekommen, könne ihm die Strafe erlassen werden.
Der Fahrgast ist fassungslos und murmelt zu den übrigen Fahrgästen: „Dieser Hund hat mein Leben gerettet. Hätte er nicht gebellt, als ich einen Schlaganfall hatte, hätte das keiner gemerkt.“ Durchsucht man die Regeln und Richtlinien der Deutschen Bahn, findet man viel zum Thema Begleithunde, auch, dass sie eine Begleitperson ersetzen können (siehe v.a. 6f). Aber nirgendwo steht, was genau einen Begleithund ausmacht. Muss er ausgebildet sein und einen entsprechenden Ausweis haben? Oder reicht es, wenn sein Herrchen einen Behindertenausweis besitzt, der ihn zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt? Bei einer solchen ungenauen Regelung hätte der Zugführer sich zurückhalten können, denn dass der Fahrgast Unterstützung benötigte, war mehr als offensichtlich (da er zum Beispiel auch gar nicht alleine ein- und aussteigen konnte und dabei auf die Hilfe von anderen Fahrgästen angewiesen war) und gerade jemandem, der ohnehin wegen seiner Behinderung nur eingeschränkt mobil ist, zuzumuten, dass er sich wegen einem so unklaren Fall an die Bahnhofs-Info begeben sollte, ist schon bedenklich.

Beispiel 2: Ein Fahrgast ohne Fahrschein soll aussteigen

In einer Regionalbahn hat ein Fahrgast keinen Fahrschein. Er wartet, bis der Zugbeleiter zur Kontrolle kommt und gibt das dann ganz offen zu. Er fordert einen Strafzettel und sagt, er würde die Strafe für das Schwarzfahren in Höhe von 40 Euro dann eben bezahlen.
Der Zugbeleiter jedoch stellt ihm keine Strafgebühr aus, sondern fordert ihn auf, an der nächsten Station auszusteigen. Diese ist ein kleiner Dorf-Bahnhof, wo der nächste Zug in einer Stunde kommt, es ist Winter. Der Fahrgast ist entsetzt und fordert seine Strafgebühr, doch der Zugbeleiter bleibt hart und droht mit der Polizei. Er argumentiert sein Vorgehen damit, dass der Fahrgast schon häufiger durch Fehlverhalten aufgefallen ist und er endlich mal durchgreifen müsse, man könne sich ja nicht alles gefallen lassen. Nach minutenlangem Diskutieren steigt der Fahrgast sehr widerwillig aus, der Zugbeleiter schubst ihn auf den Bahnsteig, wo er vom Bahnhofspersonal erwartet wird.

Wer keinen gültigen Fahrschein hat, darf eigentlich auch das jeweilige öffentliche Verkehrsmittel nicht verwenden, weshalb sich der Zugbeleiter in diesem Falle nichts zu Schulden hat kommen lassen. Zwar war es Winter, aber der Bahnhof war noch besetzt und es war auch nicht der letzte Zug des Tages, sodass die Situation für den Fahrgast – eine Stunde warten – nicht unzumutbar war. Da der Zubegleiter den Fahrgast offensichtlich kannte und schon Probleme mit ihm hatte, spielte da persönliche Wut sicherlich auch eine Rolle und möglicherweise hätte er jemandem, der einsichtiger und reumütiger ist, tatsächlich „nur“ die Strafgebühr berechnet. Das recht respektlose Duzen des etwa 30-Jährigen Mannes sowie das Hinausschubsen aus dem Zug hätte jedoch nicht sein müssen, auch wenn es angesichts dessen, dass sich der Fahrgast heftig verbal gewehrt hat und nicht aussteigen wollte, schon nachvollziehbar war.

Schwarzfahren bei der Bayerischen Oberlandbahn - Fahren ohne Fahrschein bei der BOB - Ausreden für Schwarzfahrer
Auch die Bayerische Oberlandbahn (BOB) kennt beim Schwarzfahren kein Pardon, zeigt aber Humor und liefert gleich die Ausreden für das Fahren ohne Fahrkarte.

Beispiel 3: Studentin fährt mit Studentenausweis, aber ohne Semesterticket

In München gibt es seit 2013 die Regelung, dass Studenten die öffentlichen Verkehrsmittel im gesamten Stadtgebiet ohne weitere Kosten nutzen dürfen. Es gibt jedoch bestimmte Einschränkungen. Eine Studentin fährt kurz nach Einführung dieser Regelung eine Strecke, die sich im MVV-Gebiet befindet, ohne Ticket. Bei der Fahrkartenkontrolle zeigt sie der Zugbegleiterin ihren Studentenausweis, doch diese akzeptiert ihn nicht und fordert das sogenannte Semesterticket, welches ihr zufolge zusammen mit dem Studentenausweis gezeigt werden muss. Erst dann sei die Fahrt kostenfrei. Die Studentin erklärt ihr, sie hätte nur den sogenannten Sockelbeitrag bezahlt, sodass sie kein Semesterticket habe. Wer nur den Sockelbeitrag zahlt, darf mit dem Studentenausweis die öffentlichen Verkehrsmittel verwenden, ohne ein extra Semesterticket zu benötigen, allerdings nur am Wochenende und werktags zwischen 18:00 und 06:00 Uhr. Da es etwa 22:30 war, sei ihr Studentenausweis gerade eine gültige Fahrkarte. Sie zeigt ihr das auf den Studentenausweis gedruckte MVV-Logo. Die Zugbegleiterin akzeptiert diese Erklärung nicht und beleidigt die Studentin mit den Worten „Ihr und euer Studenten-Scheiß!“ und sucht weitere Angriffspunkte, indem sie den Ausweis auf Gültigkeit und Unterschrift überprüft. Erst als sich weitere Fahrgäste einmischen und der Zugbegleiterin erklären, dass die Studentin die Wahrheit sagt, geht sie schließlich weiter.

Hier war die Zugbegleiterin nicht auf dem neusten Stand und hat sich mit ihrem Benehmen blamiert, denn die Studentin hatte keinen Fehler gemacht und die Situation sachlich erklärt. Die Zugbegleiterin hat zwar keine Strafgebühr verlangt, aber hätte sich sicherlich weniger blamiert, wenn sie es unterlassen hätte, herablassende Kommentare von sich zu geben und auf ihrer Ansicht zu bestehen.

Beispiel 4: Ausländischer Fahrgast möchte eine Fahrkarte in der Regionalbahn kaufen

Ein Zugbeleiter in einer Regionalbahn kontrolliert die Fahrscheine und stößt auf einen Fahrgast, der ihm bereitwillig Scheine hinhält. „To Munich, please“, sagt er dazu. Der Zugbeleiter schüttelt den Kopf. „Sie können bei uns keine Fahrkarten im Zug kaufen. Ich muss Ihnen eine Strafgebühr in Höhe von 40 Euro ausstellen.“
Der Fahrgast versteht offensichtlich nicht, was der Zugbeleiter zu ihm gesagt hat, sodass er das Gesagte nochmal auf Englisch wiederholen muss. Der Fahrgast ist überrascht und versteht nicht, was er falsch gemacht hat. Ein deutschsprachiger Fahrgast mischt sich ein und argumentiert, dass der Mann offenbar nicht in Deutschland lebt und es deswegen wohl nicht gewohnt ist, dass man seine Tickets nicht im Zug kaufen kann, zumal das ja in manchen deutschen Zügen sogar möglich ist, nur nicht in Regionalzügen. Dann müsse er sich, so der Zugbeleiter, eben informieren, und außerdem stehe das hier ganz deutlich an der Tür. Der Fahrgast beweist weiterhin Zivilcourage und argumentiert weiter: Naja, es stehe aber eben auf Deutsch da, und das könne dann jemand, der kein Deutsch kann, logischerweise nicht lesen. Wenn dieses regionale Zugunternehmen auf internationaler Ebene mithalten wolle, solle es entweder seine Regeln anpassen oder die Fahrgäste auch auf Englisch informieren. Der Zugbegleiter gibt sich geschlagen und stellt dem ausländischen Fahrgast ein normales Ticket aus. Hier hatte der mutige Mann, der sich eingemischt hat, überzeugende Argumente. Wenn jemand auf seinem Platz sitzen bleibt, bis der Zugbegleiter kommt, und dann zugibt, dass er keinen Fahrschein hat und einen zu kaufen versucht, ist das oft ein Versuch, schwarz zu fahren oder sich einen Teil der Strecke zu sparen. Hier jedoch war wirklich offensichtlich, dass der Fahrgast keine Ahnung hatte, dass er etwas Verbotenes tut, weil es auf seinen anderen Zugfahrten wohl vollkommen selbstverständlich war, das Ticket im Zug zu kaufen. Ein Lob jedoch an den Zugbeleiter, dass er diese Argumentation letztendlich eingesehen hat.

Beispiel 5: Bei der Fahrkartenkontrolle wird die Zugbegleiterin wegen des überfüllen Zuges beschimpft

Ein Regionalexpress ist haltlos überfüllt, sodass viele Fahrgäste in den Gängen stehen müssen, und auch die Abfahrt hat verzögert stattgefunden. Einige aufgebrachte und genervte Fahrgäste gehen deswegen die Zugbegleiterin an, die sich durch den überfüllen Zug zwängt, um die Fahrkarten zu kontrollieren. Sie beschweren sich bei ihr, fragen, was das soll, warum nicht endlich weitere Waggons zur Verfügung gestellt werden, da es in diesem Regionalexpress so oft vorkomme, dass er zu voll ist, und bezeichnen es als Frechheit, dass sie bei diesen Bedingungen überhaupt die Fahrt bezahlen müssen. Wo sie Recht haben, haben sie Recht, doch die Zugbegleiterin kann nichts dafür. Sie ist eine Angestellte, die mit der Organisation der Bahn nichts zu tun hat, sondern für einen mäßigen Lohn Fahrkarten kontrolliert. Und es ist auch unwahrscheinlich, dass sie die Beschwerden weitertragen wird und wenn doch, dass dies etwas bringt, denn solange die Verantwortlichen nicht selbst mit der Wut der Fahrgäste konfrontiert werden, fühlen sie sich auch nicht schlecht. Anstatt eine Zugbegleiterin anzufahren, sollten unzufriedene Fahrgäste besser einen Beschwerdebrief an die Kundendialog-Abteilung der Bahn schreiben, dann kommt die Unzufriedenheit hoffentlich etwas weiter oben an, wo sie hingehört (wenn vermutlich auch leider nicht ganz oben).

Beispiel 6: Ein Fahrgast kann seinen Namen nicht eintragen, weil er keinen Kugelschreiber hat
Auf den Ländertickets wie dem Bayernticket muss der Fahrgast seinen Namen eintragen, damit das Ticket gültig wird. Ein Fahrgast mit Bayernticket setzt sich in den Zug und fragt die um ihn herumsitzenden Fahrgäste nach einem Kugelschreiber, doch keiner kann ihm einen leihen. Als der Zugbeleiter zur Kontrolle kommt, kritisiert er das nicht ausgefüllte Bayernticket des Fahrgastes und weist ihn darauf hin, dass es so eigentlich ungültig ist. Der Fahrgast argumentiert, dass er einfach keinen Stift dabei oder bekommen hat, und die anderen Fahrgäste bezeugen dies.Der Zugbegleiter berechnet dem Fahrgast zwar keine Strafe sondern reicht ihm einen Stift, behandelt ihn aber sehr abfällig und droht, dass das beim nächsten Mal nicht mehr möglich sei.
Es ist zwar nachsichtig, dass der Zugbeleiter hier auf eine Strafe verzichtet hat, aber man muss doch auch sagen, dass es einfach keine gutbürgerliche Pflicht ist, immer einen Stift dabei zu haben, selbst wenn man mit dem Bayernticket unterwegs ist. Wenn die Bahn darauf besteht, dass in jedem Länderticket der Name eingetragen ist, dann soll sie Stifte zur Verfügung stellen, zum Beispiel im Gang neben den Türen, wo die Infobroschüren zu bekommen sind.

Beispiel 7: Einige Fahrgäste möchten ohne Fahrschein einsteigen und bitten die Zugbegleiterin um die Ausstellung eines Fahrscheins, doch diese weigert sich
Zu einer belebten Zeit ist die Menschenschlange vor dem einzigen Fahrkartenautomat an einem kleinen Bahnhof so lang, dass mehrere Personen keine Zeit mehr haben, sich einen Fahrschein zu kaufen, bevor der Zug kommt. Sie gehen vor dem Einsteigen auf die Zugbegleiterin des Regionalzuges zu, erklären ihr die Situation und bitten sie, ihnen im Zug einen Fahrschein auszustellen. Diese jedoch weigert sich mit den Worten „Das ist doch nicht mein Problem“ und lässt die Fahrgäste nicht einsteigen. Sie müssen auf den nächsten Zug in einer Stunde warten. Auch wenn bei Regionalzügen in der Regel der Fahrschein vor Antritt der Fahrt gelöst werden muss, gibt es berechtigte Ausnahmen, in denen Fahrgäste auch ohne Fahrschein einsteigen dürfen, wenn sie sich direkt an das Personal wenden und um die Ausstellung eines Fahrscheins bitten (siehe erstes Beispiel hier). Da die Fahrgäste die Zugebegleiterin sogar vor dem Einsteigen auf das Problem hingewiesen haben, hat die Zugbegleiterin in diesem Fall ziemlich rücksichtslos gehandelt und den Ruf des regionalen Zugunternehmens geschädigt.

Diese sieben individuellen Beispiele sind Stellvertreter für unzählige Auseinandersetzungen zwischen Zugbegleitern und Fahrgästen. Oft ist es rechtlich gesehen nur eine Kleinigkeit, die entscheidet, wer von beiden im Recht ist. Doch ganz ehrlich – betrachtet man diese sieben Beispiele aus der zwischenmenschlichen Perspektive, sind alle diese Vorfälle ziemlich deutlich zuzuordnen, oder?

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